Montag, November 11, 2013

Hurghada – Marsa Alam mit dem Rennrad

Die Strecke von Hurghada nach El Quesir habe ich schon zwei Mal beschrieben (hier und hier). Im Oktober haben wir endlich eine Zwei-Tages-Fahrt nach Marsa Alam gemacht.

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Ich bin wach, noch bevor der Wecker läutet – ich habe schlecht geschlafen, wie immer, wenn ich früh aufstehen muss. Die Dämmerung kündigt sich an; schnell packe ich meine Kamera und reisse die Türe des Bungalows auf. In wenigen Schritten bin ich am Strand, gerade rechtzeitig um zu sehen, wie sich ein gleissender Feuerball aus dem Meer erhebt und den Himmel vom fahlen Dämmerlicht in ein leuchtendes Knallrot übertüncht. Überwältigt stehe ich da, lausche dem leisen Wellenschlag und beobachte dieses Naturschauspiel. Kann ich davon je genug kriegen?


Doch es eilt, mein Kamerad will um sechs aufs Rad und ich gehe zurück, um mich zu waschen und Zähne zu putzen. Der Wasserhahn bleibt trocken – meinen die, man brauche in der Nacht kein Wasser? – und ich helfe mir mit dem verbliebenen Mineralwasser.


Kurz später stehe ich in Radkleidung vor dem Frühstücksbuffet, das noch keines ist.

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Um halb sieben starten wir endlich; der Feuerball hat sich in die bekannte, unerbittlich herabbrennende Sonne verwandelt. Noch sind die Temperaturen angenehm, noch ist es kühl und wir rollen während einer Stunde stumm vor uns hin. Ich brauche Zeit, um wach zu werden, meine Beine fühlen sich müde an.




Plötzlich bemerke ich eine Bewegung rechts von mir und zucke zusammen: ein Hund läuft stumm, in ausgreifendem Galopp (kann man das bei Hunden sagen?) neben uns her. Normalerweise bellen die Hunde und verfolgen uns – der hier, oder besser: die Hündin hier, scheint sich einen riesigen Spass daraus zu machen, uns zu begleiten! Sie lässt nicht ab, wechselt hie und da auf den Asphalt oder auf die linke Strassenseite, sucht ein besseres Terrain, um mit uns Schritt zu halten. Fasziniert schaue ich ihr zu, wie ihre Vorläufe ausholen, ihr Körper sich athletisch streckt… 


Nach einigen Kilometern halten wir an, ich will ihr ein Biskuit geben und sie nimmt die Stärkung gerne an. Doch wir müssen weiter, es wird heisser und wir haben erst einen kleinen Teil der 135 km hinter uns gelassen. Wir treten wieder kräftig in die Pedale und die Hündin begleitet uns, doch sie fällt zusehends zurück. Sie schafft es nicht mehr, mit uns Schritt zu halten, obwohl sie lange nicht aufgibt. Immer wieder wende ich mich um, um zu sehen, ob sie noch da ist… irgendwann kann ich sie nicht mehr entdecken. Ich werde diese Begegnung wohl nie mehr vergessen.

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Ich rolle und rolle und rolle. Rauf und runter gehen meine Beine, meine Hände suchen eine andere Stellung am Lenker. Das lange Asphaltband dehnt sich in der Sonne aus, es krümmt sich nach rechts und links, es richtet sich auf, um sich über unendlich steile Hügel zu legen, nur um sich dahinter wieder frech hinabfallen zu lassen. Ich nehme die Wüste nicht mehr wahr, es gibt kaum Verkehr. Ich sehe nur dieses elend lange Asphaltband, die unzähligen Hügel vor mir und links in der Ferne das glitzernde Meer. 




Seit El Quesir stehen regelmässig Schilder mit Kilometerangaben am Strassenrand: Marsa Alam 85 km, Shalateen 335 km. Marsa Alam 80 km, Shalateen 330 km… Mir kommt vor, die Distanz verringert sich im Zeitlupentempo, während ich mit aller Kraft in die Pedalen trete. Erst viel später, nämlich kurz vor Marsa Alam, stellen wir fest, dass die Kilometerangaben überhaupt nicht stimmen. Von El Quesir nach Marsa Alam radeln wir 137 km, von Hurghada nach Marsa Alam sind es insgesamt 270 km.

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Muss es denn stetig auf- und abwärts gehen? Wir sind doch am Meer! Ich habe fürchterlich heiss und sehne mich nach kühlem Wasser. Dummerweise haben wir unseren Trinkwasservorrat über Nacht nicht gekühlt – das büsse ich… Kühlung von Innen wäre gefragt. Beim Aufstieg kurz vor Port Ghalib erblicke ich eine Tankstelle. „Kaltes Wasser“  schiesst es mir durch den Kopf. Doch weder im Tankstellenshop noch im Café daneben findet sich die begehrte Flüssigkeit – obwohl haufenweise Kisten mit Mineralwasser vor dem Café gestapelt sind. Die Kühlvitrinen sind verriegelt und drinnen finde ich niemanden. Naja, es ist Eid El Kibir, der höchste muslimische Feiertag, und der Typ wird wohl irgendwo schlafen… Enttäuscht schwinge ich mich wieder auf meinen Sattel.

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Wir kommen an der Abzweigung nach Port Ghalib vorbei und ich tröste mich mit dem Gedanken, dass ich heute Abend dort mit einem kühlen Bier sitzen werde. Wir rollen hinab, in die nächste Ebene und trampeln wieder hinauf, zur nächsten Erhebung.

Ich bin so müde, dass ich eigentlich vom Rad fallen müsste. Die Musik in meinem Ohr feuert mich an und sobald ich zuoberst auf einer Erhebung bin und vor mir die nächste Senke liegt, stürze ich mich freudig und mutig hinab… nur um einige Minuten wieder hinauf zu trampeln. Bei jedem Aufstieg falle ich weiter hinter meinem Rad-Kameraden zurück – ein Zeichen, dass meine Kräfte zu Ende sind.

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Plötzlich liegt Marsa Alam vor uns. Kein Strassenschild, völlig unspektakulär, ja fast enttäuschend erreichen wir unser Ziel. In einer Nebenstrasse verstauen wir unsere Räder im Begleitfahrzeug und ich schütte eiskaltes Cola und Wasser in mich hinein, um meine Betriebstemperatur zu reduzieren.

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Wir fahren retour nach Port Ghalib, wo ich zwei Tage bleibe, während mein Rad-Kamerad nach Hurghada zurückkehrt.

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Ich gestehe, dass ich am Tag danach so unendlich müde war, dass ich mich am liebsten nicht mehr bewegen, sondern nur sitzen, oder noch besser: liegen wollte. Und essen. Ich habe doppelt so viel gefrühstückt und zwei Mal zu Mittag gegessen und das zwei Tage lang.

Auf der Rückfahrt nach Hurghada (per Taxi) habe ich mich allen Ernstes gefragt, wie ich diese 270km in zwei Tagen per Rad fahren konnte – es ist mir noch immer Rätsel! Ich hab’s aber geschafft und ich bin stolz darauf.

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